- Authorin: Stephanie
Kennt ihr das? Ihr habt gedacht, dass ihr im neuen Jahr die Verhütung absetzt und dann – spätestens gegen Ende Jahr – euer neugeborenes Baby in den Armen halten werdet. Voller Elan startet ihr also ins Projekt „Schwangerwerden“… doch dann klopft Monat für Monat pünktlich die Periode an die Tür. Eure Pläne werden von der Realität durchkreuzt. «Wenn der Mensch plant, lacht Gott», heisst es so schön.
Die Chancen pro Zyklus – Realität statt Mythos
Natürlich, es gibt sie: die Paare, die einmal Sex haben und neun Monate später ihren Nachwuchs willkommen heissen. Sie und ihre geradlinige Kinderwunschgeschichte sind jedoch nicht zwingend die Norm. Grundsätzlich müssen sich Paare, die länger auf einen positiven Schwangerschaftstest warten, noch keine Sorgen machen: Im Durchschnitt dauert es 6 bis 12 Monate, um ein Baby zu zeugen. Je nach Alter brauchen zwölf bis fast 50% der Paare mehr als ein Jahr, bis es klappt. Das hat damit zu tun, dass die Chance während eines Monats schwanger zu werden, gerade mal bei 20 % Prozent liegt, wenn die Frau in einem Alter von 30-35 Jahren ist. Ist sie älter als 35 Jahre, kann sich diese Chance auf bis zu 10% pro Monat verringern.
Schwanger werden: Cocktail an Gefühlen bis zu psychischer Belastung
Die Zeit zwischen Kinderwunsch und Schwangerschaft kann so verständlicherweise von den unterschiedlichsten Gefühlen geprägt sein und von beiden Beteiligten das Jonglieren eines Cocktails von Hoffnung, Enttäuschung, Vorfreude und Stress abverlangen. Das kann auch langjährige Paare vor eine ganz schöne Herausforderung stellen. Da Frau und Mann ganz unterschiedlich in den Babymach-Prozess involviert sind, können sie auch dessen Herausforderungen unterschiedlich wahrnehmen.
Während viele Frauen sich bereits vor dem Eisprung mental stark mit dem Prozess des Schwangerwerdens beschäftigen, bleibt für Männer der Gedanke an ihren künftigen Nachwuchs erstmal abstrakt. Viele Männer beschäftigt, dass sich ihr Sexleben in dieser Phase plötzlich verändert. Was in jüngeren Jahren vielleicht ein Wunschtraum war – täglicher Sex –, kann in dieser Kinderwunschphase zur Pflichtübung werden. In einem ohnehin vollen Alltag aus Arbeit und Terminen fühlt sich „Sex auf Knopfdruck“ schnell weder sexy noch romantisch an. Studien zeigen, dass Männer, die aktiv versuchen, ein Kind zu zeugen, nach mehreren Monaten weniger Freude am Sex berichten und häufiger über Erektionsprobleme klagen.
Frauen hingegen beschäftigen sich zeitweise fast täglich bei jedem noch so kleinen Ziepen damit, ob sie gerade ein Eisprungs- oder Schwangerschaftssymptom erleben. Sie überlegen sich, wie lange sie nach dem Sex liegenbleiben müssen, um den Spermien die bestmögliche Chance zu geben, ihr Ziel zu erreichen. Sie versuchen ihre Ernährung und ihren Sportplan optimal auf den Kinderwunsch abzustimmen und aus den vielen angebotenen Nahrungsergänzungsmitteln jenes auszuwählen, welches die besten Resultate erzielt… Es überrascht daher nicht, dass bei Frauen innerhalb eines Jahres des aktiven «Versuchens» sowohl die Lust auf Sex als auch die sexuelle Zufriedenheit, das Feuchtwerden während des Geschlechtsverkehrs und die Orgasmusrate deutlich abnehmen können.
Dazu kommt eine erhöhte psychische Belastung – depressive Symptome treten bei Männern wie auch bei Frauen häufiger auf. Bei Frauen stellen sich diese Symptome jedoch oft früher im Prozess ein als bei ihren Männern.
Gemeinsam statt gegeneinander: Die Kinderwunschphase als Team-Effort erleben
Dass die Reise zum Wunschkind nicht immer einem geradlinigen Verlauf folgt, kann Paare zwar herausfordern. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beziehung automatisch unter dieser Phase leiden muss. Im Gegenteil: Paare können die Zeit des Kinderwunsches auch als gemeinsames Projekt erleben, das sie näher zusammenbringt. Wichtig ist es, sich bewusst zu machen, dass Frauen und Männer unterschiedlich betroffen sind und das gute Gründe hat: Zwischen den Beteiligten gibt es grosse Unterschiede im körperlichen Involviert-Sein, unterschiedliche gesellschaftliche Erwartungen und so verschiedene emotionale Perspektiven auf den Kinderwunschprozess.
Studien zeigen, dass Paare besonders gut durch diese Phase kommen, wenn sie gemeinsam eine Sichtweise entwickeln, die Unterschiede anerkennt und aktiv Brücken zueinander bauen.
Doch wie gelingt das konkret im Alltag? Kommunikation ist der Schlüssel.
Tipps für mehr Leichtigkeit in der Kinderwunschphase
- Regelmässige Check-ins: Setzt euch einmal pro Woche bewusst zusammen und tauscht euch offen darüber aus, wie belastend ihr die Situation gerade empfindet.
- Empathie üben: Sprecht nicht nur über eure eigene Wahrnehmung, sondern auch darüber, wie ihr denkt, dass euer Gegenüber sich fühlt.
- Rituale schaffen: Wer es lockerer mag, kann feste Momente wie Spaziergänge zu einer bestimmten Zeit im Zyklus oder Date-Abende nutzen, um ohne Druck zu sprechen.
- Aufgaben teilen: Männer können sich tiefer mit dem Zyklus der Frau beschäftigen oder organisatorische Aufgaben wie Arzttermine übernehmen. Das entlastet und hilft, sich während dem Prozess verbundener zu fühlen.
Eure Stephanie
Stephanie Dietrich
Stephanie Dietrich ist Sexologin und die Autorin dieses Blogartikels.
In ihrer Praxis begleitet sie Paare und Einzelpersonen, die sich mehr Leichtigkeit und Verbundenheit in ihrer Sexualität wünschen – ob im Thema Kinderwunsch oder weit darüber hinaus. Mit einem wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig humorvollen Blick bringt sie Tabuthemen entspannt auf den Tisch.
Wenn sie nicht gerade Beratungsgespräche oder Workshops durchführt, düst sie mit dem Fahrrad durch sonnige Strassen oder geniesst die Bergluft – immer auf der Suche nach inspirierenden Gesprächen und frischen Ideen.
Mehr Informationen zu ihrem Angebot findet ihr unter www.stephaniedietrich.ch.
