KategorienKinderwunsch

Fruchtbare Tage verstehen – Was Paare über das «fertile window» wissen sollten

Titelgrafik „Fruchtbare Tage verstehen“ in den Fruchtpaar-Farben, Symbolbild zum Blogartikel über fruchtbare Tage, Eisprung und Kinderwunsch.
Titelgrafik „Fruchtbare Tage verstehen“ in den Fruchtpaar-Farben, Symbolbild zum Blogartikel über fruchtbare Tage, Eisprung und Kinderwunsch.

Für alle Frauen, die ganz zu Beginn ihrer Kinderwunschreise stehen, und für alle Männer, welche die Wissenslücke zwischen ihnen und ihrer Partnerin schliessen möchten.

Warum das Wissen über fruchtbare Tage so wichtig ist

Wir waren alle da, im Aufklärungsunterricht, in welchem eine mehr oder weniger engagierte Lehrperson versuchte, uns zwischen vollgekritzelten Wandtafeln und unbequemen Schulbänken die Irrungen und Wirrungen des weiblichen Zyklus näherzubringen. Und weil Sandra diese Woche gerade entschieden hatte, nicht mit uns zu sprechen und gleichzeitig eine nervtötend schwierige Matheklausur auf uns wartete, liefen die Informationen, die wir im Unterricht zu den fruchtbaren Tagen hätten kriegen können, mehrheitlich ins Leere.

So erstaunt es nicht, dass laut Studien bis zu einem Drittel der Frauen gar nicht weiss, wann sie während eines normalen Menstruationszyklus schwanger werden kann. Eine australische Studie zeigte sogar, dass nur bis zu 13% der Frauen, welche aktiv versuchten, schwanger zu werden, das fruchtbare Fenster richtig identifizieren konnten. Studienergebnisse, in welchen männliche Probanden befragt wurden, sind zudem kaum vorhanden.

Um diese Wissenslücke zu schliessen, lohnt sich ein genauerer Blick auf den weiblichen Zyklus selbst. Grundsätzlich hat eine Frau nämlich nur während ungefähr sechs Tagen pro Zyklus erhöhte Chancen, schwanger zu werden. Daher kann es hilfreich sein, sich in der Kinderwunschphase ein Minimum an Wissen rund um den weiblichen Zyklus anzueignen, sowohl als Frau als auch als Mann.

Es gibt verschiedene Wege herauszufinden, wann die fruchtbaren Tage stattfinden. Einerseits kann Wissen über die Zyklusphasen helfen, die Tage einzugrenzen, andererseits kann die Beobachtung der Basaltemperatur sowie des Zervixschleims weitere Indizien geben. Nachfolgend soll genauer auf diese drei Themen eingegangen werden.

Der weibliche Zyklus einfach erklärt

Der weibliche Zyklus hat vier Phasen: Menstruation, Follikelphase, Eisprung mit fruchtbarer Zeit und Lutealphase. Der Zyklus dauert durchschnittlich 28 Tage und kann regelmässig oder unregelmässig sein. Bei den meisten Frauen variiert die Dauer jedoch zwischen 22 und 35 Tagen.

Die vier Phasen des Zyklus im Überblick

Menstruationsphase

Obwohl die Menstruation eine Folge vieler Veränderungen ist, die vor der Menstruation stattfinden, starten wir am ersten Tag der Menstruation mit dem Zählen der Tage. Der erste Tag der Blutung ist also Tag 1 des weiblichen Zyklus. Diese Blutung hält meist während 4-5 Tagen an. Gleichzeitig reifen im Eierstock Eizellen heran.

Follikelphase

Auf die Menstruationsphase folgt die Follikelphase. Während der Follikelphase baut sich in der Gebärmutter eine neue Schleimhautschicht auf. Sind die Eizellen fertig herangereift, wird die fitteste unter ihnen ausgesucht und während des Eisprungs ins Rennen geschickt.

Eisprung und fruchtbare Tage

Während des Eisprungs springt die Eizelle vom Eierstock in den Eileiter, wo sie befruchtet werden kann. Eine Eizelle hat eine Lebensdauer von ca. 24 Stunden. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Frau nur zum Eisprung fruchtbar ist. Die Spermien können nämlich 3-5 Tage im Eileiter der Frau überleben und auf die bald springende Eizelle warten. Deshalb kann man in der Zeit fünf Tage vor bis einen Tag nach dem Eisprung vom fruchtbaren Fenster sprechen. Wer schwanger werden möchte, sollte versuchen, in dieser Zeit Sex zu haben.

Lutealphase (= Gelbkörperphase)

Nach dem Eisprung startet die Lutealphase (= Gelbkörperphase). Während dieser ungefähr zwei Wochen anhaltenden Phase lockert sich die Gebärmutterschleimhaut unter dem Einfluss des Hormons Progesteron, sodass sich eine befruchtete Eizelle einnisten könnte. Hat keine Befruchtung stattgefunden, wird die Gebärmutterschleimhaut ausgestossen. Ein weiterer Zyklus startet.

Das fruchtbare Fenster: Wann sind die Chancen auf eine Schwangerschaft am höchsten?

Nun sind Frauen aber keine Maschinen, und so findet der Eisprung oft nicht genau wie vom App berechnet am Tag 14 des Zyklus statt. Es gibt drei Dinge, die beim genaueren Bestimmen des Eisprungs behilflich sein können:

Methoden zur Bestimmung der fruchtbaren Tage

Basaltemperatur messen: Wie funktioniert das?

Während der Gelbkörperphase ist die Basaltemperatur der Frau um ungefähr 0.5 °C erhöht und sinkt zu Beginn der Menstruation wieder auf die ursprüngliche Tieflage ab. Kurz vor dem Anstieg in die Hochlage kann die Basaltemperatur zum Zeitpunkt des Eisprungs um ca. 0.1 °C kurzzeitig absinken. Misst man täglich die Basaltemperatur, kann das Absinken vor der Hochlage ein Hinweis darauf sein, dass gerade ein Eisprung stattfindet.

Die Basaltemperatur sollte morgens vor dem Aufstehen immer zur gleichen Zeit oral neben dem Zungenbändchen, vaginal oder rektal gemessen werden. Idealerweise kombiniert ihr das mit der Zervixschleimbeobachtung.

Zervixschleim beobachten: Natürliche Hinweise auf den Eisprung

Zervixschleim ist in Form von Ausfluss aus der Scheide ein bekannter, aber eher ungern gesehener Gast in der Unterhose. Viele Frauen verwenden während des gesamten Zyklus Slipeinlagen, die vor Verschmutzung der Unterhose schützen sollen. Nur wenige wissen, dass dieser Ausfluss wertvolle Informationen zur aktuellen Zyklusphase enthalten kann.

Während der fruchtbaren Zeit sondert der Muttermund mehr Ausfluss ab, der eher durchsichtig und wässerig ist und zum Zeitpunkt des Eisprungs etwa die Konsistenz von rohem Eiweiss annimmt. Meistens kann am Tag des Eisprungs die grösste Menge von Ausfluss beobachtet werden. Während der nicht fruchtbaren Zeit ist der Zervixschleim meist eher weisslich-milchig oder gelblich eingefärbt. 

Ovulationstests (LH-Tests): Sichere Unterstützung bei der Bestimmung

Wenn die Eizellen ausreichend herangereift sind, bewirkt die hohe Konzentration des Hormons Östrogen eine plötzliche Ausschüttung des Hormons LH. Das luteinisierende Hormon LH löst den Eisprung aus. Eine höhere Konzentration des Hormons LH kann durch Ovulationsstrips im Morgenurin nachgewiesen werden.

Zyklus-Apps und Protokolle: Digitale Hilfe beim Kinderwunsch

Damit die gemeinsame Terminplanung gut auf die fruchtbaren Fenster abgestimmt werden kann, kann es hilfreich sein, ein digitales Zyklusprotokoll mit einer App (oder ein analoges auf Papier) zu führen. Wird die App sowohl auf dem Handy der Frau wie auch dem Mann installiert, kann der Mental Load rund um das fruchtbare Fenster gemeinsam getragen werden.

Nichtsdestotrotz sollte man sich bewusst sein, dass die App das ungefähre Stattfinden des fruchtbaren Fensters nur berechnen kann und die weiteren Körperzeichen nicht berücksichtigt.

Ärztliche Empfehlungen: Wie oft Geschlechtsverkehr sinnvoll ist

Ärztinnen und Ärzte empfehlen Paaren, denen das Ausfindigmachen des fruchtbaren Fensters zu kompliziert erscheint, jeden zweiten Tag Sex zu haben, sodass auch bei Unklarheit trotzdem zum günstigen Zeitpunkt Geschlechtsverkehr stattfindet.

Kinderwunsch entspannt begleiten: Wissen als Unterstützung, nicht als Stressfaktor

Auch wenn all diese Informationen auf den ersten Blick nach viel Planung klingen: Das Wissen um die fruchtbaren Tage soll kein zusätzlicher Stressfaktor sein, sondern helfen, entspannter mit dem Kinderwunsch umgehen zu können.

Wer den weiblichen Zyklus als Verbündeten und nicht als Gegner betrachtet, kann bei aller Planung den Spass und die Zärtlichkeit im Blick behalten. Denn selbst wenn der richtige Zeitpunkt für die Befruchtung ausschlaggebend ist, ist es eure Verbindung, die euch durch diese Reise begleitet, sie leichter macht und euch Kraft gibt.

Eure Stephanie

Picture of Stephanie Dietrich

Stephanie Dietrich

Stephanie Dietrich ist Sexologin und die Autorin dieses Blogartikels.

In ihrer Praxis begleitet sie Paare und Einzelpersonen, die sich mehr Leichtigkeit und Verbundenheit in ihrer Sexualität wünschen – ob im Thema Kinderwunsch oder weit darüber hinaus. Mit einem wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig humorvollen Blick bringt sie Tabuthemen entspannt auf den Tisch.

Wenn sie nicht gerade Beratungsgespräche oder Workshops durchführt, düst sie mit dem Fahrrad durch sonnige Strassen oder geniesst die Bergluft – immer auf der Suche nach inspirierenden Gesprächen und frischen Ideen.

Mehr Informationen zu ihrem Angebot findet ihr unter www.stephaniedietrich.ch.